Andacht Gemeindebrief
Februar 2024 – März 2024
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
(1. Korinther 16,14)
Die Losung für das neue Jahr stellt uns vor eine große Herausforderung.
Zugleich ist sie eine Einladung, in eine andere Haltung hineinzuwachsen. Was ich damit meine, will ich anhand eines einzelnen Tages beschreiben – ein Tag von in diesem Jahr 366:
Beim Erwachen am Morgen fällt die Vorstellung schwer, das warme Bett zu verlassen. Der Blick aus dem Fenster verheißt einen regnerischen Tag.
Doch wenn ich die Zeit im Bett ausdehne, wird es ein hektischer Morgen: keine Zeit für ein ruhiges Frühstück, Hektik bei der Suche nach Tasche, Schlüssel, Mütze und dann komme ich wieder einmal verschwitzt und atemlos an der
S-Bahn an.
Die Losung mahnt mich, das Bett zu verlassen, um in Ruhe unter der Dusche aufzuwachen, den Kaffeeduft zu genießen, die Katze zu streicheln, einen Apfel einzustecken und so nach und nach in den Tag hinein zu starten.
Irgendwann an diesem Morgen treffe ich einen Mitmenschen – in der Küche, auf der Straße, in der S-Bahn … Wird es mir gelingen, sie zu sehen, statt einfach vorbeizulaufen? „Guten Morgen.“ „Wie hast Du geschlafen?“ „Gehen Sie nur vor, Sie scheinen es eilig zu haben.“
In den ersten Stunden des Tages zahlt es sich aus, dass ich den Morgen in Ruhe begonnen habe.
Aber irgendwann ist die Gelassenheit aufgebraucht: Wenn zum dritten Mal nur der Anrufbeantworter dran ist. Wenn mir schon wieder jemand etwas gedankenlos in den Weg stellt. Wenn es nicht vorwärts geht. Wenn schon wieder das Klopapier alle oder die Kaffeekanne leer ist.
Manchmal hilft es, erst einmal tief ein- und auszuatmen. Aus dem Fenster zu schauen. An die Katze auf dem Sofa oder die Verabredung am Abend zu denken, um dann auch diese Herausforderungen anzugehen, und sie nicht persönlich nehmen. Vielleicht ist es ganz gut, irgendwo einen Merkzettel für die besonders schwierigen Momente zu haben: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Irgendwann am Nachmittag oder Abend stehe ich erschöpft in einer Schlange oder vor einer Bahnschranke oder sitze in einem Wartezimmer. Ich beginne, mich aufzuregen, angestrengt die Zähne aufeinander zu beißen, doch da ist dieser Satz, diese Aufforderung, alles in Liebe zu tun. Und ich versuche „Liebe“ zu fühlen, dieses warme Gefühl in der Brust.
Unweigerlich sehe ich ein freundliches Gesicht vor mir, höre ein mutmachendes Wort, erinnere mich an eine zärtliche Berührung. Mein Kiefer entspannt sich, mein Atem wird ruhiger.
Am Abend tausche ich mich mit anderen über den Tag aus. Vielleicht merke ich, dass es mir gut tut, mit „Liebe“ durch den Tag zu gehen.
Vielleicht schaffe ich nach dem ersten auch noch einen zweiten Tag.
Ihre Pfarrerin Ulrike Franke